Neulich auf der Seceda
Der Blue Bus rollt wieder nach Süden. Going up the country – Sancho Franso unterwegs. Die schiefen Wiesen der Seceda hatten es mir angetan und standen daher schon länger auf der Liste der fotografisch festzuhaltenden Begehrlichkeiten. Schon Tausendfach fotografiert, aber eben noch nicht von mir. Zudem die Ankündigung im Netz, daß das Trentino bald nur noch mit Eintrittskarte zu besuchen sein wird. Dann mal los.
Im Talort St. Ulrich sind Parkplätze Mangelware, zum Übernachten geht es daher auf den Panider Sattel. Der Parkplatz ist gut versteckt und nicht in der Park App. Demzufolge von der Camperkarawane noch nicht entdeckt. Das nahe Hotel Pinei offeriert die Übernachtung mit 4 Sternen für 220 Euro. Dann lieber unzählige Sterne und Null Euro.
Ich mache mir Gedanken für den nächsten Morgen.Wie komme ich zum Sunrise auf den Gipfel? Die Seilbahn fährt noch nicht. Die gipfelnahen Hütten sind in der AntiSaison geschlossen.
Also kommt das E-Bike zum Einsatz. Komoot empfiehlt mir eine Route mit 800 Höhenmetern mit Start in Wolkenstein.
Morgens um 5 klingelt der Alarm und kurz darauf starte ich nach Wolkenstein. Dort geht es im Dunkeln mit dem Elektroradl auf unbekanntem Forstwegen und Trails in noch unbekannteres Gelände. Ein Schild Anfang des Weges bestimmt, daß auf dieser Route, Kinder unter 14 nur in Begleitung mit Erwachsenen auf Tour gehen dürfen. „Gefährliches Gelände“. Was kommt da auf mich zu?
Zehn Kilometer Nachts bergauf, sind länger als man denkt. Je leerer der Akku desto steiler werden die Anstiege. Endlich komme ich ins Almgelände. Das Alpenglühen ist schon in vollem Gange. Für dieses Lichttheater komme ich leider etwas zu spät. Mit letzter Luft erreiche ich die Gipfelregion – Akku leer, Sancho Franso leer.
Am Gipfel sind schon drei Frühaufsteher aus ihren Schlafsäcken gekrochen. Die Seceda lockt eben auch Andere an.
Gipfel erröten im Morgenlicht:
Irgendwo zwischen Schneekanonen, Skipisten und Seilbahnen, befindet sich tatsächlich eine beeindruckende Landschaft.
Die Herbst-Wiesen der Seceda haben begonnen zu glühen.
Nach der Fotosession habe ich mir das Käsebrot verdient. Ein Hipsterbart setzt sich neben mich und wir unterhalten uns über die Temperaturen in der Nacht und die richtige Ausrüstung.
Was in diesem Hochgebirgswimmerl befindet sich ein Gleitschirm? Ich kenne Gleitschirmsäcke nur so groß wie Schrankkoffer.
Ich lade Manuel auf einen Kaffee an der Hütte ein, erzähle von Titanwirbeln in den Körpern meiner Bekannten mit Gleitschirmsyndrom und hoffe, dass er sich den Sprung in den Abgrund mit seinen Lightschirm gut überlegt hat. Unser weiteres Gespräch über Reiseerfahrungen könnte aus „Zen und hohe Berge“ stammen. Ein richtig gutes Gespräch halt.
Aus dieser metaphysischen Sicht steht dem Abflug nun nichts mehr im Wege und der Countdown kann beginnen. Die Startwiese erscheint etwas zu wenig Gefälle zu haben für den SpeedSchirm. Aber eine andere steht nicht zur Verfügung und los geht es.
Manuel löst den Traum des Fliegens mit seinem Gespür für Thermik und Gelände gschmeidig ein und schwebt in einer langen Schleife in Richtung der Nadelwälder ins Tal.
Dort unten in St. Ulrich mangelt es nicht nur an Parkplätzen, auch Landeplätze sind rar.
Irgendwann habe ich den Schirm mit Manuel nicht mehr gesehen. Vermutlich ist er ins Nirwana entschwebt.
Nach entschleunigter Abfahrt, starte ich den Blue Bus in Richtung Vale de Fanes. Mehr davon im nächsten Teil.
Liebe Grüße
Franz
Nach zwei Tagen mit Fieber im Bett, sind deine Fotos besser als jede Medizin.
Wie es im Leben so ist: die ganz speziellen Momente setzten viel Mühe voraus…
Freut mich sehr, dass ich auf diese Weise am Gleitflug unseres Sohnes Manuel teilhaben durfte. Schöne Fotos und interessant beschrieben. Liebe Grüße von Mama Ute